Osmanisches Reich
Osmanisches Reich

Das Osmanische Reich

Eine funktionale Einführung

Die vorliegende Arbeit entstand, zum Teil, im Rahmen von Vorträgen an Volkshochschulen, Vereinen, etc. und historischen Seminaren. Gegenstand der Arbeit ist die schlaglichtartige funktionale Einführung in die Geschichte des Osmanischen Reiches. Dabei wurde neben der reinen Historik der Versuch unternommen soziologische - politologische Betrachtungsweisen mit einzubeziehen. Die Anregung zur schriftlichen Fixierung entstand insbesondere im Rahmen eines historischen Kolloquium (Die Entwicklung der europäischen-osmanischen Beziehungen) an der Universität Zürich unter Leitung von Frau Associate Prof. Dr. G. Karamuk (Ankara), deren Anmerkungen und kritische Fragen an dieser Stelle besonderen Dank gebührt.                                                                                                           Uwe Becker Konstanz/Zürich 1991

 

Worterklärungen und Zeittafeleinträge sind neu und sind nicht Bestandteil der als Grundlage dienenden Arbeit.



Briefmarke 1 Piaster 1898

Einleitung

 

Die vorliegende Arbeit resultiert aus dem Bemühen, in relativ kurzer Zeit einem nichtwissenschaftlichen Zuhörerkreis, eine Übersicht über das “Osmanische Reich” zu geben. Gerade weil diese Vorgaben eine Fokussion auf zentrale Strukturen erfordert erscheint es notwendig, die geschichtlichen Prozesse in überschaubare Einheiten zu zergliedern. Leider gibt es für das ”Osmanische Reich” keine einheitliche und verbindliche Periodisierung oder in der Hauptsache nur solche, die sich an genealogische Daten der Herrscher orientieren. Deshalb war ich gezwungen eine solche Periodisierung vorzunehmen, die in ihrer Grundintension auf die Gliederung von Josef Matuz [1] zurückgreift, obwohl dort keine ausdrückliche Gliederung beabsichtigt wurde. Die Arbeit versucht wesentliche Elemente, welche das System (damit sind gesellschaftliche Organisationen gemeint) charakterisiert, zu ordnen und funktional die Prozesse der Entwicklung anzureißen, was allerdings bei der heutigen Forschungslage nur sehr allgemein und unvollständig erscheint. [2]  Es versteht sich von selbst, dass ein umfangreicher Anmerkungsapparat den Rahmen einer funktionalen kurzen Einführung sprengen würde. Hinzu tritt die Tatsache, dass Kenntnisse des Islam notwendig erscheinen um die vielfältigen Auswirkungen und Verflechtungen der Religion in der osmanischen Geschichte zu verstehen und einzuordnen.[3]

 

Somit gliedert sich die Arbeit in jenen Teil der die Geschichte des Reiches in Perioden einteilt und deren Entwicklung kurz aufzeigt und einen Teil, welcher wichtige und tragende Teilaspekte der Gesellschaft skizziert. Trotz all den Fragezeichen und Kürze der Arbeit hoffe ich, eine Überblicksartige Aufnahme des “Osmanischen Reich” zu erreichen, und 600 Jahre türkische Geschichte in seinen Grundzügen darzustellen.

 

[1] Matuz, Josef: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1985 (Die im Anhang befindliche Zeittafel gliedert sich nach Jahrhunderten, im Gegensatz zur inhaltlichen Materialbewältigung.) Dieses Buch eignet sich im Besonderen, sich dem Gebiet der “Osmanistik” zu nähern. Die dort angegebenen Literaturhinweise ermöglichen den Einstieg in dieses umfassende Wissensgebiet.

[2] Tietze, Andreas: Mit dem Leben gewachsen. Zur osmanischen Geschichtsschreibung in den letzten fünfzig Jahren, in: Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789: Konflikt, Entspannung und Austausch. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 10 S. 15-23) Hrsg. Heiß, G./Klingenstein,G., München 1983Neu Literaturhinweise zur Problematik der heutigen Forschungsliteratur. Kreiser, Klaus: Der Osmanische Staat 1300-1922, München 2001

[3] Endreß, Gerhradt: Einführung in die islamische Geschichte, München 1982 (Dort befindet sich eine übersichtliche Dargestellte Bibliographie über den Islam.)



Seldschuken und Byzantiner im 12 Jh.

Der Versuch der Periodisierung



Grundlage einer Begrenzung von Perioden werden zwar oft an Ereignissen festgemacht in Form von konkreten Daten doch zeigen sie nur Erkennbar den Beginn oder das Ende von Prozessen. Damit sind Jahreszahlen nur der Aufhänger zur geschichtlichen Materialbewältigung und Einteilung zwecks der Überschaulichkeit. Wenn also bestimmte Strukturveränderungen z.B. politischer, militärischer, wirtschaftlicher oder kulturelle Art, verdichtet Auftreten, wobei die einzelnen Prozesse unterschiedlich lang sind, dann kann von einer Änderung der Verhältnisse gesprochen werden.[4] Es stellt sich dabei heraus, dass unterschiedliche Standpunkte bzw. Fragestellungen in Bezug auf die Wahrnehmung von Ereignissen zu unterschiedlichen Einteilungen gelangen können. Grundlage meiner Prozesse sind innen- wie außenpolitische Einschnitte welche als solche von den Betroffenen wahrgenommen werden oder sich dem historischen Betrachter als solche bei der nachträglichen Begutachtung ergeben. In Bezug auf das “Osmanische Reich” erscheinen mir folgende Ereignisse und Strukturen zur Periodisierung brauchbar:

 

1. Militärische Ereignisse wie weit reichende Siege oder Niederlagen etc.

 

2. Vertragswerke die über die Stellung der Vertragspartner Auskunft geben z.B. Friedensverträge oder Wirtschaftsabkommen.

 

3. Reformatorische Bestrebungen die Mängel des Systems erkennen und Abhilfe zu versprechen suchen oder durch ihr Erscheinen Gegenkräfte aktivieren.



[4] Faroqhi, Suraiya: Geschichte des Osmanischen Reiches, München 2000 (Mit der zunehmenden Erforschung bisher vernachlässigter oder nicht beachteter wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Betrachtungen, ändert sich auch die Periodisierung)



Ursprungsgebiete der frühen Türkvölker

Die Vorgeschichte (Ursprung der Türkvölker)

 

Der Ursprung der Türken liegt im Gebiet zwischen Aralsee und westlichen Altaigebirge, wo sie im 6 Jh. erstmals Urkundlich erwähnt werden.[5] Die sprachliche Verwandtschaft besteht in der Hauptsache mit dem Mongolischen und dem Mandschutungusischen. Innerhalb der heutigen Türken gibt es etwa 21 Verschiedenen türkische Sprachengruppen die über den gesamten asiatischen Kontinent verteilt sind. Der größte Teil der verschieden Turkvölker z.B. Usbeken, Türkmenen, Kasachen, Kirgisen usw. leben in hauptsächlich drei Gebieten der Erde, nämlich in der heutigen Türkei, den ehemaligen Sowjetrepubliken der UdSSR und in der Volksrepublik China. Unter den Turkvölker sind fast alle größeren Religionsbewegungen vertreten mit dem Hauptgewicht an Moslems.

 

Das Wort „Türk“

 

Erste urkundliche Erwähnung der Eigenbegriff türk aus dem chinesischen als Sammelbegriff ethnischer Nomadenvölker im Norden und Westen 6 Jh. Bedeutung im Sinne von stark , mächtig. Ethnische türk Völker z. Bsp. Köktürken, Uiguren, Chasaren, Oguren, Karachaniden, Oghusen. Mit der Islamisierung der Karachaniden im 10 Jh. werden diese als Turkmenen bzw. Turk oder Türk bezeichnet.



Mit der Wanderung türkischer Stämme nach Westen begann im 10 Jh. die Islamisierung großer Teile der türkischen Stämme durch islamische Kaufleute und Derwische. Darunter befand sich ein Staatenverband (Oghusen) welcher sich nach ihrem Führer (Selcuk) Seldschuken nannte und ab 1037 mit der Eroberung der östlichen islamischen Reiche begann.[6] Der weitere Zustrom von türkischen Stämmen führte zur Ausbreitung ins damalige Byzantinische Reich.[7] Das Rum-Seldschuken Reich erlebte seinen Höhepunkt im 13 Jh.[8] und zerfiel nach dem Sieg der Mongolen in türkische Kleinemirate.[9] Durch die mongolischen Eroberungen im 13 Jh. wurde eine zweite türkische Einwanderungswelle ausgelöst die besonders in Anatolien zu spüren war. Einer dieser nomadischen Stämme siedelte im Gebiet um das heutige Eskisehir im nordwestlichen Teil der Türkei. Ihr Anführer nannte sich Ertogrul und hinterließ einen Sohn namens Osman. An dieser Stelle wollen wir die kurze Schilderung der Herkunft und Vorgeschichte abbrechen und die Bedingungen der Entstehung kurz skizzieren.

 

Der Name „Rum“

 

„Rum“ bedeutet „ auf dem Gebiet der Römer“ der Rhomäer, der Byzantiner. So nannte sich die erste Generation von Anführer die sich von den Großselschuken in Persien abheben wollten.



[5]Scharlipp, Wolfgang-Ekkehard: Die Frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur, Darmstadt 1992

[6] Unter Togril Beg 1037-63 und 1055 die Einnahme von Bagdad.

[7] 1071 Schlacht bei Malazgirt (Alp-Arslan 1063-72), beginn der türkischen Besiedlung Anatoliens. Bezeichnung der Einwohner als Romaer (Römer) führt zur Bezeichnung Rum-Seldschuken ab etwa 1175 mit dem Zerfall des Seldschukischen Großreiches in Teilreiche.

[8] Regierungszeit von Sultan Alaeddin Keikubad I (1220-1237) mit der Hauptstadt Konya

[9] Schlacht am Kösedag 1243 Oberhoheit durch die mongolischen Iichane.



Seldschuken um 1040 -1194

Die Vorbedingungen zur Expansion



Allgemein sind die Gründe sehr vielschichtig uns selbst in der Literatur noch nicht abschließend geklärt. Bei der Darstellung der osmanischen Eroberungen auf dem südlichen Balkan haben wir das Problem, dass wir unterschiedliche Reiche und deren Geschichte hier nicht darstellen können sondern deren Vorhandensein nur nennen.

 

1. Das damalige Byzantinische Reich war innerlich vom Niedergang gezeichnet und in dauernde Kriege und Bürgerkriege verwickelt. Somit schied es als ernst zunehmender militärischer Gegner aus.

 

2. Die Byzantiner ihrerseits nahmen Türken als Söldner in ihre Armee oder Verbündeten sich mit einzelnen Emiraten.

 

3. Das christliche und kulturell ertragreiche Land war Angriffsziel der islamischen “Ghasi” so genannte Glaubenskrieger, die durch die Erwartung von Beute sich mehr und mehr den Osmanen bei ihren Streifzügen anschlossen.

 

4. Die Glaubenskämpfer wandelten sich durch den Erwerb von Beute vom Nomaden zum Berufskämpfer, der nicht in Konkurrenz zu den Ackerbau treibenden griechischen Bauern trat. Was dazu führte, dass gerade das eroberte Gebiet und dessen Verwaltungsstrukturen nicht zerstört wurden sondern zur Bereicherung diente.[10]

 

5. Die slawischen Reiche des Südbalkans Bulgarien und Serbien waren ebenfalls wie Byzanz in innere Konflikte verstrickt und durch diese permanenten Streitigkeiten langfristig geschwächt.

 

Wir können zusammenfassend Feststellen, dass unterschiedliche Prozesse sich zu einer gesamt Krise in diesem Raum verdichte- ten und somit den Eroberungen durch die Osmanen den Boden bereitete, was für eine so rasche Expansion wohl erforderlich scheint.[11]



[10] Besonders nach der Eroberung von Bursa übernimmt die osmanische Führung den noch erhaltenen Verwaltungsaufbau zur Erbringung der christlichen Kopfsteuer (gizya).

[11] Als Parallele können wir die schnelle Ausbreitung des Islam nach dem Tode des Propheten in Betracht ziehen, welche ähnliche Strukturen bei den eroberten Völker vorfand. Siehe hierzu: Cahen, Claude: Der Islam I. Vom Ursprung bis zu den Anfängen des Osmanenreiches. (Fischer Weltgeschichte Bd. 14) Frankfurt a. M. 1976 S. 22 ff.



Rum - Seldschuken um 1190

Gründung - Aufbau (1299 - 1402)


Osman I (1281-1326 Gründer und Namensgeber der Dynastie) übernahm 1281 vermutlich die Stammesherrschaft. Es gibt kein Ereignis, an welchem wir sagen könnten, dass hier die Gründung des Staates erfolgte. Das Jahr 1299 ist rein willkürlich, zeigt aber dass die Gründung um die Jahrhundertwende stattgefunden haben muss. Ein eigentlicher Staat entstand erst langsam unter seinem Sohn Orhan (1326-1360), welcher 1326 Bursa erobert und die dort vorgefundene Verwaltung übernahm. 1357 wird Gallipoli von den Osmanen besetzt und gleichzeitig der erste Brückenkopf auf europäischen Boden. Sein Nachfolger Murad I (1360-1389) eroberte 1361 Adrianopel, was somit Hauptstadt wurde. Nach weiteren Siegen im Südbalkan wurde dieser Osmanisch.[12] Kurze Zeit später wurden die westanatolischen Emirate eingegliedert und es kam zum Konflikt mit Timur Lenk.[13] Dieser endet mit der Niederlage der Osmanen 1402 bei Ankara (Bayezit I 1389-1402) und führte zum Bürgerkrieg der Thronanwärter.

Zeittafel

 

1326 Brussa (Bursa) wird erobert. 1311 Einnahme von Nizäa (Iznik).  1335 - 1345 Eroberung des kleintürkischen Emirates Karesi. 1337 Erfolgreiche Eroberung von Nikomedia (Izmit).  1346 Orhan verbondet sich mit dem byzantinischen Kaiser Johannes Kantakuzenos und heiratet dessen Tochter. 1349 Die osmanen kämpfen gegen die Serben im byzantischen Heer. 1354 Gallipoli (Gelibolu) und Rodosto (Terirdag) werden osmanisch. 1354 Eroberung von Angora (Ankara). 1360 - 1389 Bau der Moschee Murads I in Bursa. 1361 Einnahme von Adrianopel (Edirne). Die Janitscharentruppe (yeni ceri) wird aufgebaut. 1363 Philippopel (Plovdiv) wird osmanisch.  Das Amt des Heeresrichter (kadiasker) wird geschaffen. 1365 Edirne wird Haupstadt des Osmanischen Reiches. Schaffung des Amtes des Großwesir unter Candarli Kara Halil um 1368. 1371 Osmanischer Sieg über die Serben an der Maritza. 1375 Eroberung von Nisch. 1381 Durch Verheiratung wird das türkische Emirat zum großenteils ins Osmanische Reich eingegliedert. 1382 Eroberung von Saloniki. 1385 Aufteilung des Beglerbeg Amtes in Rumelien und Anatolien. 1386 Eroberung von Sofia. 1389 Schlacht auf dem Amselfeld. 1393 Eroberung des restlichen ehemals bulgarischen Reiches. 1391 Beginn der Yildirim-Bayazit Külliyesi Anlage in Bursa. 1394 Die Walachei wird Vasall. 1394 - 1413 Bau der Ulu-Cami in Bursa. 1395 Errichtung der Festung Anadolu Hisari. 1396 Niederlage der Kreuszritter bei Nikopolis. 1397 Eroberung des türkischen Emirats Karaman. 1400 Einnahme von Erzincan. 1402 Niederlage der Osmanen bei Ankara.



Bürgerkrieg (1402 - 1413)


Zeitlich gesehen währe diese Phase eigentlich nicht erwähnenswert, wenn nicht durch sie fundamentale Gegensätze in der osmanischen Gesellschaft erkennbar wurden. Die mit der Eroberung des Südbalkans beginnende Einwanderung von türkischen Nomaden führte unweigerlich zur Konfrontation mit den dort ansässigen immer noch christlichen Bauern. Gleichzeitig brachen Spannungen zwischen türkische Soldaten und Siedlern auf, die noch im Ghasitum verwurzelt waren, während die neueren militärischen Gattungen z.B. die Janitscharen, die auf dem Balkan lebenden Spahis, immer mehr in verantwortliche Stellungen eindrangen. Abschließend sei noch auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Ulema hinzuweisen. Die höhere staatstragende Ulema zeigte sich sunnitisch orthodox und loyal zum aufstrebenden Verwaltungsapparat des Herrscherhauses die niedrige Ulema, insbesondere Derwische, standen ehr den traditionellen türkischen Nomaden und Ghasikriegern nahe. Kurz die neueren militär- ischen Kräfte entschieden den Kampf zu Ungunsten der alten türkischen Schichten.[14] Oder anders Ausgedrückt “ ... auch das Ghasitum und die religiöse Heterodoxie hörten auf, für die Osmanen staatstragende Prinzipien zu sein.[15] Es zeigte sich aber nach 1453, dass die alte türkische traditionelle “Oberschicht” bis dahin immer noch vorhanden war und erst endgültig mit der Ausmerzung unter Mehmed II als wichtiger politischer Machtfaktor verschwand.

 

12] Maritza 1371 und Kosovo (Amselfeld) 1389

[13] Matuz, Op. cit., S.45 ff

[14] Werner, Ernst: Die Geburt einer Großmacht- Die Osmanen (1300-1481). Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus. 4 Aufl. Ost-Berlin 1985, S. 194 ff.

[15] Matuz, Op. cit., S. 48



Verfassung und Verwaltung mitte 16.Jh.

Staat und Gesellschaft im Osmanischen Reich


Die rechtlichen Grundlagen des Reiches[25] liegen im islamischen Recht (scharia) und dem Öffentlichen Recht (kanun), welches insbesondere von der Verwaltung erlassen wurde.[26] Daraus ergibt sich eine horizontale und vertikale gesellschaftliche Glieder- ung. Da es keinen so genannten “Erbadel” gab, war ein sozialer Aufstieg nicht an eine bestimmte Schicht gebunden, sondern allen Mitglieder der Gesellschaft offen.[27] Die herrschende Schicht kann man als die Osmanen (osmanli) bezeichnen die Untertanen als Raya (reaya), nicht aber mit irgend einer Nationalität erfassen. Vertikal wurde die Gesellschaft (Millet-System)[28] in islamische und christliche (dimmi) Schutz- befohlene eingeteilt. Somit war das Osmanische Reich ein klassischer Vielvölkerstaat. Lange Zeit galt das osmanische Regierungssystem als ausgesprochen “Zentralistisch”, weil allgemein eine Hierarchisierung in horizontaler Ebene den Blick auf andere Betrachtungen verschloss. Heute spricht man eher von unterschiedlichen politischen Herrschaftsformen. Von der Gründung an bis zum Anfang des 15 Jh. kann mit abnehmender Zeit von einer Stammesherrschaft (Feudalherrschaft) gesprochen werde, wobei der Macht im osmanischen Bürgerkrieg zum Großteil zerbrach. Gleichzeitig bildete sich die Tendenz zur zentralistischen Herrschaft die bis Ende des 16 Jh. in eine oligarchische Herrschaft, also die Herrschaft von bestimmten Gruppen, überging. Mit den Reformen im 19 Jh. nahm die Zentralisierung erneut zu, bis zur Einführung einer konstitutionellen Verfassung 1876,[29] die aber noch im selben Jahr Außerkraft gesetzt wurde. Es folgte eine nochmalige Zentralisierungsphase bis zur Übernahme der Regierung durch die Jungtürken 1908, die selbst diktatorische Züge bis zum Zusammenbruch des Reiches annahm.

 

[25] Zu staatsrechtlichen Fragen; Krüger, Hilmar: Fetwa und Siyar. Zur internationalrechtlichen Gutachterpraxis der osmanischen Scheich ül-Islam vom 17. bis 19 Jh. unter besonderen Berücksichtigung des “Behcet ül-Fetwa”. Wiesbaden 1978

[26] Röhrborn, Klaus: Untersuchungen zur osmanischen Verwaltungsgeschichte. (Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients Bd. 5) Hrsg. Spuler, B., Berlin 1973

[27] Dies trifft vor allem in der klassischen Phase des Reiches zu. Im 18 Jh. war für die höheren Ränge der Reichsverwaltung Ämterpacht zu zahlen, gleichfalls vererbten sich zunehmend die Positionen innerhalb der in Konstantinopel und Rumelien ansässigen Familien. Gegen Ende des Reiches bestand die Führungsschicht in seiner Hauptsache aus Türken. Siehe hierzu; Büttner, Op. cit., S. 28 ff.

[28] Recht der Untertanen auf eigene nach Religion getrennter Rechtsprechung.

[29] (konstitutionellen Absolutismus); Büttner, Op. cit., S. 46

Osmanischer Gesellschaftsaufbau

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