Akten sind schriftliche Quellen, die als Produkt einer Verwaltungsorganisation im Schriftverkehr entstanden sind. Sie resultieren aus der Entstehung von Urkunden und Unterliegen in ihrer Systematik formalen Merkmalen Entstehungsanlass für die Ausstellung von Urkunden der osmanischen Zentralkanzlei war entweder die Reaktion auf eine Eingabe oder aus eigener Initiative. Wurde eine Eingabe an die Kanzlei gemacht folgte eine Prüfung des Sachverhaltes, abhängig von der Wichtigkeit oder der Rangstufe des Antragstellers. War es erforderlich im großherrlichen Staatsrat (diwan) die Eingabe zu beraten, musste zuvor eine sachliche und rechtliche Prüfung durchgeführt werden.
Die im Staatsrat getroffenen Entscheidungen (Beurkundungsbefehle) wurden in ein Protokoll eingetragen. Am Ende der Sitzungen trug man nun die Protokolle in das großherrliche Register (rüus defteri) ein. Hierauf konnte ein Konzept (müsvedde) erstellt werden. Dieses Konzept wurde noch einmal auf Inhalt, Form und kaligraphische Genauigkeit geprüft und falls nötig, vom Aussteller korrigiert. Das auf diese Weise entstandene Konzept bildete die Grundlage der Reinschrift. Die so ausgefertigten Urkunden bzw. Abschriften wurden täglich, in chronologischer Reihenfolge, in ein Ausgangsregister eingetragen. Eingetragen wurden nur die unbedingt notwendigen Dinge, sowie die Übertragungsart. Die verwendeten Register unterschieden sich in der Art und Wichtigkeit der Urkunde z.B. das fiskalische Register (mâliyye`ahkam defteri), das Register für wichtige staatsrechtliche Urkunden (mühimme defteri) oder für gewöhnliche Urkunden (adî defteri). Eingaben und Beschwerden wurden im (ŝikâyet defteri) registriert, ebenso sind Geheimregister (sïrr defteri) und Feldzügeregister (ribâb mühimmeleri) bekannt, sowie das Lehensjournal (ruznâmce) oder das Vakanzregister (mâ hlül defteri).
Gleichfalls wichtig erscheint die Praxis der „Blankofermane“ (beyaz huküm). Dabei handelt es sich um unkanzleimäßige Sultansurkunden, welche nur mit der Tughra versehen meist dem Feldherrn mitgegeben wurden, sofern der Sultan nicht in eigener Person anwesend war. Zur Kontrolle wurden die Urkunden mit dem großherrlichen Register verglichen. Das sich ansammelnde Schriftgut wurde in Konstantinopel im Zentralarchiv gesammelt und gelagert.
Nach der Registrierung der Urkunde erfolgte die Zustellung. Dabei sind drei Arten der Zustellung zu unterscheiden, nämlich die direkte Zustellung nach der Staatsratssitzung oder durch den dafür besonders Beauftragten (berat emini) und die Zustellung durch einen Boten. Übrigens war die Ausstellung einer Urkunde gebührenpflichtig. Bei den unterschiedlichen Zustellungsarten durch Boten kann ein Rangverhältnis dieser in Bezug auf den Adressat nicht festgestellt werden. Der Bote konnte eine Vertrauensperson des Adressaten sein, ein zufällig in dessen Richtung reisender Vertrauensmann der großherrlichen Kanzlei, ein Gesandter im Verkehr mit dem Ausland oder ein von der Kanzlei bzw. Staatsrat ausgesuchter Überbringer. Bei letzterer Gruppe handelt es sich um Tschausche, Pfortendolmetscher, Müteferriqas oder höhere Würdenträger. Bei wichtigen Urkunden wurde dem eigentlichen Bote noch eine angemessene Bewachung zugeteilt.
Unter Tughra (tuğra) versteht man den monogrammartigen Namenszug das Sultans als des Ausstellers der Urkunde über jedem großherrlichen Handschreiben, Erlass Patent, Diplom überhaupt über allen großherrlichen Willensäußerungen. Rechtsverbindliche Urkunden mussten mit der Tughra versehen sein. Sein Ursprung liegt wohl in seldschukischen Vorbildern. Dennoch ist die eigentliche Form eine eigenständige osmanische Kunstform, die von anderen Herrschern in Kleinasien, Afghanistan, den Krimchanen und in Ägypten nachgeahmt wurde.
Die Tughra besteht aus drei vertikalen Schäften, über die sich, links beginnend zwei Schlingen ausbuchtend nach oben ziehen, deren Enden weit nach rechts hinausragen. Der Fuß der Schäfte läuft in ein Wurzelwerk aus. Hier wird der Text von unten nach oben gelesen z.B. Süleyman Sohn des Vaters Selim Schah Chan immer siegreich (Süleyman şah ben Selim şah han al muzaffar da`iman). Die Tughra wurde durch den (Nişancı) auf die Urkunde aufgezeichnet.
Neben den Sultanen und Krimchanen haben auch einige Prinzen die Tughra benutzt. Ganz ähnlich gestalten sich die Namenszeichen der Wesire (pence). Im 18. Jh. begann man die Tughra auch als Symbol und Dekoration an Gebäuden anzubringen. Im 19 Jh. wurde die Tughra auch auf Briefmarken und Münzen dargestellt. Mit der Gründung der Republik Türkei verschwand die Tughra als offizielles Staatssymbol, findet aber in neuester Zeit in Firmenemblemen vielfach Verbreitung.
Die osmanischen (Sultans-) Urkunden gehen durch kontinuierliche Entwicklung aus arabischen, persischen und seldschukischen Formen hervor. Parallelitäten zu abendländischen Urkunden sind nicht zu übersehen, da als Urvorlage römische bzw. byzantinische Urkunden anzusehen sind. Unterschiede liegen in der Ausschließlichkeit von rechtlichen Inhalten in abendländischen Urkunden, die so in osmanischen Urkunden nicht immer getrennt werden.
Alle osmanischen (Sultans-) Urkunden unterliegen einer formellen Gliederung die nur in Ausnahmefällen von der festgelegten Form abweichet.
Die Urkunden beginnen mit der Inocatio. (Oftmals wurde diese Anrufungsformel von Gott bei vielen Urkunden abgetrennt.). Dann folgt die Beglaubigung durch die großherrliche Tughra an die sich die Intitulatio, also die in Reimprosa (sag) gehaltene Aufzählung von Namen und Titel anschließt. Es folgt die Inscriptio, die Nennung des Empfängers und die Salutatio eine in der 2 Person Singular erfolgte Anrede. Urkunden späterer Epochen wechseln zur 2 Person Plural. Die nun folgten Narration und der eigentliche Inhalt die Dispositio sind ebenso in Reimprosa gehalten wie die nachfolgende Sanctio und Korroboration. Bei der Datierung treten vor allem Unterschiede in der Schreibweise des Datums auf. Meist erfolgt die Datierung in Buchstaben, sie kann aber auch nur als Aufzählung einer Dekade erfolgen. Hinzutreten Ehrennahmen des Monats und zusätzliche Apposition die auch in der Ortsangabe aufgenommen wurden.
Die Urkunden wurden zum überwiegenden Teil auf oberitalienischen und später französischen Papier geschrieben, wobei die Oberflächenglättung im Osmanischen Reich selbst erfolgte.
“(Invocatio) Er (Tughra) Süleyman, Sohn Selim Chans, immer siegreich. (1) (Inscriptio)Vorbild der ehrwürdigen Emire, Stütze der erlauchten Edlen, Besitzer der Macht und Hochachtung, durch die Fülle der Gnade des allwissenden Königs Beschenkter, Sandschakbeg von Fülek (Salutatio) lang dauere sein Ruhm.(2) (Notificatio) Bei Ankunft des erhabenen großherrlichen Handzeichens sei kund, dass jetzt gemeldet wurde, (3) (Narratio) entgegen dem zwischen beiden Seiten bestehenden Vertrag und Sicherheits- und Friedensabkommen seien einige Orte des Landes Polen (4) angegriffen und überfallen worden. Deshalb befehle ich, dass du bei Ankunft meines edlen Befehls (5) in dieser Hinsicht nicht leichtsinnig bist und auf keinem Fall jemanden auf zum Lande Polen gehörende (6) seien es Vorstädte, Dörfer, Landstädte oder andere Orte (7) Angriffe und Überfälle ausführen lässt. (Sanctio) Lass niemanden gegen den zwischen beiden Seiten bestehenden Vertrag und das Sicherheitsabkommen (8) handeln. Das sollst du wissen. (Correboratio) Dem edlen Zeichen sollst du vertrauen. (Datatio) Geschrieben in der dritten Dekade des Monats rebi`ülevvel (9) im Jahre 967 (Locus) in der Residenz Konstantinopel.”
Matuz, Josef: Das Kanzleiwesen Sultan Süleymans des Prächtigen. (Freiburger Islamstudien; Bd. V). Wiesbaden 1974 S. 143 ff.
Idealtypischer Aufbau einer deutschen Urkunde
Allgemein
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Osmanisch
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