Osmanisches Reich
Osmanisches Reich
Zeitgenössisches Gemälde der Belagerung Wiens von 1683. Im Vordergrund das Entsatzheer von König Johann III. Sobieski

Niederlagen und Zerfall (1683 - 1774/98)


Mit der Niederlage vor Wien (1683) beginnt der Territorialverlust im Westen im Friedensvertrag von Kalowitz 1699. Zusätzlich zu den Auseinandersetzungen mit Habsburg begannen die bis ins 20 Jh. reichenden Abwehrkämpfe mit Russland. Zwar erlangte das Reich kulturell in der “Tulpenperiode” Anfang des 18 Jh. noch einmal eine Hochphase, muss aber 1771 den ersten Staatsbankrott hinnehmen. Der nachfolgende Krieg mit Russland und der sich anschließende Friede von Kücük Kaynarca 1774 stürzt das Reich nicht nur auf die Stufe einer Regionalmacht zurück, sondern es wurde zur Aufgabe der nominellen Kontrolle über die christlichen Untertanen gedrängt. Damit begann die innenpolitische Einmischung der Großmächte im 18 Jh.. Doch spätestens mit dem Angriff der Franzosen in Ägypten 1789 und der nachfolgenden Konfrontation der Osmanen mit dem europäischen Gedankengut, insbesondere mit dem Begriff des “Nationalismus”, befand sich das Reich wiederum an einem dramatischen Wendepunkt seiner Geschichte.

 

Reformen und Auflösung (1774/98 - 1923)


In der Tat begann mit der französischen Expedition nach Ägypten nicht nur eine neue Periode der osmanischen Geschichte, sondern es ist gleichzeitig der Einbruch der Neuzeit in den arabisch-islamischen Raum. Die andauernden militärischen Niederlagen zwingen zu Reformen, die aber zuerst am Widerstand religiös-konservativer Kräfte scheiterten.[18] Spätesten 1826, nach der Zerschlagung der Janitscharen durch Mahmut II (1808-1839), begannen die militärischen und zivilen Reformen.[19] Ab 1839 spricht man von der so genannten Reformenära (Tanzimat),[20] sie ist gleichzeitig der Beginn der Suche nach einer neuen imperialen Legitimität.[21] Die innere Schwächung und der erwachende Nationalismus der christlichen Minderheiten, führten im weiteren der osmanischen Geschichte zu Aufständen, Terrorakten und Unabhängigkeitskriegen vor allem auf dem Balkan. Hinzu kam der erneute Staatsbankrott von 1875 und die Übernahme der Finanzverwaltung durch die Großmächte. Innenpolitisch erfolgte 1876 die Auflösung des Parlamentes durch Abdul Hamid II (1876-1909 und das Entstehen eines “Spitzelstaates” was wiederum zur Gegenrevolution von 1908 führte.[22] Der sechs Jahre spätere Eintritt des Reiches in den Ersten Weltkrieg,[23] auf Seiten der Mittelmächte, führte unweigerlich zum Zusammenbruch des Osmanischen Reiches. Der daraufhin erfolgte Diktatsfrieden von Sevres[24] beschleunigte den beginnenden Unabhängigkeitskrieg und führte zur Ausrufung der “Türkischen Republik” am 29.10.1923 und zum Frieden von Lausanne am 24.07.1923

 

[18] Matuz, Op.cit., S. 214 ff.

[19] Abschaffung des Turbans, der Kaftane und Pluderhosen sowie Einführung des Fes. Allgemeine Einführung europäischer Kleidung und Heeresreform unter dem späteren Generalfeldmarschall von Moltke.

[20] Allgemeiner Beginn mit dem großherrlichen Handschreiben “Hatt-i Serif von Gülhane” am 03.11.1839 etc. und der Einführung einer Verfassung mit dem “Kanun-u Esasi” am 23.12.1876, siehe auch Matuz, Op. cit., S. 230 ff.

[21] Büttner, Friedemann Hrsg.: Reform und Revolution in der islamischen Welt. Von der osmanischen Imperialdoktrin zum arabischen Sozialismus. München 1971 S. 10 ff.

[22] Jungtürkische Revolution vom 24.07.1908 und Einführung einer konstitutionellen Monarchie durch die Wiedereinsetzung der Verfassung, siehe hierzu Matuz, Op. cit., S. 251 ff.

[23] 02.11.1914 bis zum Waffenstillstand am 30.10.1918.



Kranker Mann am Bosporus 1896

Gründe des inneren- und äußeren Zerfalls


Die Gründe wie sie in der Abbildung dargestellt werden, sind zwar spezifisch für das Osmanische Reich, trotzdem kann das Schaubild auf andere Reiche projiziert werden, weil gemeinsame Verbindungen in der Entstehung und dem Niedergang von Reichen gibt. Natürlich ist es nicht möglich einzelne Ereignisse oder Gründe explizit anzuführen, sondern nur eine netzartige Struktur soll die Interdependenzen von Variablen (Faktoren) des Niedergangs veranschaulichen.

                                               

Es ist festzustellen, dass außenpolitische Gründe wie viele Kriege, viele Gegner sowie der Zwang nach Expansion[36] und innenpolitische Gründe wie Inkompetenz, Korruption, Ämterkauf, etc. beide zu einer Belastung der Finanzen führten und somit die ursächlich Erscheinungen sogar stabilisierten. Diese Belastungen der Finanzen verschlimmerte also beide Tatbestände und führte einerseits zur Verarmung der ländlichen Bevölkerung, andererseits zur Aufsplitterung des Bodens durch Verkleinerung der Timare und damit zur Verarmung der Territorialtruppen. Die führte zum Ende des 16 Jh. und im 17 Jh. zum Aufruhr in den so genannten Celali-Aufständen und zu einer einsetzenden Landflucht. Dadurch vergrößerte sich wieder der Finanzbedarf einmal durch die Aufstellung neuer Truppen und durch die Abschöpfung der Agrargewinne. Und wieder entwickelte sich eine Finanz- und Wirtschaftskrise die die schwierigen Zustände verfestigten ohne die Spirale des Niedergang aufzuheben. Die im 18 Jh. vor allem im 19 Jh. einsetzende massive wirtschaftliche Einmischung durch die “imperialen” europäischen Großmächte (Kapitulationen), beschleunigte und vertiefte die in Schwung gekommene Krisenspirale, die trotz der im 19 Jh. beginnenden Reformen nicht mehr zu durchbrechen war.



[36] Krüger, Op.cit. S. 26/27 und 116 ff.



Osm. Staatswappen 1882

Zusammenfassung


Das Osmanische Reich, als letztes islamische Großreich, fristet lange Zeit ein ähnliches Dasein in der europäischen Geschichtsschreibung wie das Byzantinische Reich, was nicht nur bedauerlich angesichts der Reichhaltigkeit des Forschungsgegenstandes war, sondern auch die Verwandtschaft zwischen beiden Reichen nahe legt. Wenn man also das Osmanische Reich als Nachfolgestaat zum Byzantinischen Reich versteht, besonders in seiner imperialen Idee und geographischen Ähnlichkeiten, dann kann dieser geographischen-politische Raum zwischen Europa und dem Nahen Osten als eigenständige “Kulturzone” verstanden wer. Vielleicht erklärt dies die Problematik der Begrifflichkeit bei der Erforschung des Osmanischen Reiches.

 

Wer sich Heute mit osmanischer Geschichte befasst, der wird von einer Flut an neueren Werken konfrontiert. Dabei stellen sich in der Forschung zwei miteinander zusammenhängende Probleme. Erstens erfährt die jeweilige osmanische Epoche in den ehemaligen Gebieten des Reiches eine starke regionale Aufarbeitung. Weil aber etwa 20 heute unabhängige Staaten aus dem ehemaligen osmanischen Gebiet hervorgegangen sind ist deren sprachliche Vielfalt enorm. Das führt zweitens zur Berücksichtigung zusätzlicher Sprachen obwohl gerade die osmanische Geschichte schon bestimmte Sprachen zur Erforschung voraussetzt. Somit zerstreut sich die Forschung, ähnlich wie die Dokumente der Geschichte auf große Teile der Welt. Zwar gab es Versuche in den siebziger Jahre eine Gesamtschau zu erstellen, doch deren Resultat zeigt die angesprochene Probleme recht deutlich.

 

Es ist geradezu ein Unterfangen eine so umfangreiche Geschichte in so knapper Form wieder zu geben, trotzdem hoffe ich, einen ersten informativen Überblick zur Osmanischen Geschichte gegeben zu haben.



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