Die Entwicklung einer eigenen osmanischen Stilrichtung in der Keramikherstellung Keramik greift auf islamische insbesondere seldschukische und persische Wurzel zurück. Deren Stilformen weisen darüber hinaus auf älteren chinesischen Vorbildern hin. Die Seldschukenherrschaft in Anatolien hinterließ mit seinen einzigartigen Fliesen, die in der Blüte des Reiches im 13. Jh. entstanden eine reichhaltige Fliesentradition. Deren Erbe übernahmen die osmanischen Sultane im 14. Jh. und experimentieren mit neuen Stilelementen in Form einer Gebrauchskeramik die in der Forschung als “Miletware” bezeichnet wird, weil das Produktionszentrum im 14. und 15. Jh. in Milet lag
Die Keramische Masse nennt man heute nach den Inhalten und des Brennwertes Quarz-Fritte-Keramik. Die Inhaltsstoffe, schon Anfang des 14 .Jh. in Persien aufgezeichnet, sind Quarz (fein gemahlener Quarzsand), Ton und Fritte (Geschmolzenes und anschließend gemahlenes Glas). Diese Feinkeramik war Grundlage der Keramikherstellung bis zirka 1510. Hiernach wurde das Flussmittel, welches beim Schmelzen des Quarzes gebraucht wird, in seiner Zusammensetzung verändert. Anstatt Alkalioxide wurden in den osmanischen Werkstätten in Isnik und Kütahya Blei-Alkali-Fritten genutzt die, bei niedrigeren Brenntemperaturen, eine erhebliche Einsparung an Holz mit sich brachten und somit eine Produktionszunahme ermöglichten. Der Schmelzpunkt dieser Fritte lag zwischen 1.700 und 2.000 Grad Celsius. Der arabische Reiseschriftsteller Sa`d ad-Din, schrieb: “Aus der Erde dieser Gegend stellt man Keramiken her, wie man sie mit Worten nicht beschreiben kann. Es ist schwierig, sie von chinesischem Porzellan zu unterscheiden.. “. Nach der Formgebung wurden die Rohlinge an der Luft getrocknet. Danach wurde mit der gleichen Masse ein so genannter Anguss in reinweißem Überzug hergestellt und anschließend die Bemalung aufgebracht. Blau wurde aus Kobaldoxid, Türkis bzw. Grün aus Kupferoxid und Violett aus Manganoxid hergestellt. Bolus-Rot war eine Mischung aus Ton und Eisenoxid und Schwarz zur Zeichnung der Umrisslinien gewann man aus Chromeisenstein
Keramik ist ein Bereich des islamischen Kunsthandwerks indem ein exzellentes und einzigartiges Niveau an Kunst erreicht wurde. Aus China eingeführtes Porzellan rief in Bagdad das Interesse von abbasidischen Kunsthandwerkern hervor, diese versuchten, das chinesische Porzellan mit einheimischem Ton zu imitieren. Die grüngelbe Tang-Keramik (Chinesisches T`ang Porzellan 618-907) wurde erfolgreich nachgebildet, und es gelang den abbasidischen Töpfern, eine Zinnglasur zu entwickeln. Vom späten 8. bis zum 11. Jahrhundert wurde eine andere Art von Keramik, die mit Schlickerfarben verziert war, in Nischapur und Samarkand im Nordosten des Iran hergestellt. Schlicker ist eine dünne Lage flüssigen Tons, die auf ein Gefäß aufgebracht wird, um einen Malgrund abzugeben. Einige dieser Gefäße, die von der sassanidischen Tradition beeinflusst waren, wurden mit Reiterfiguren und einem Feld von Ornamenten und Schriftzeichen bemalt. Unter den ägyptischen Fatimiden (909 -1171) wurden viele bemalte und andere Töpferwaren in Fustat hergestellt. Im seldschukischen Iran waren dünne Fayencegefäße in Nachahmung der chinesischen Originale und lüsterbemalte Keramiken und Fliesen aus Rayy und Kashan beliebt. Einige dieser Gefäße, vor allem die in siebenfarbiger Emailkeramik hergestellten Gefäße, sind mit Motiven aus der Literatur verziert, die der persischen Miniaturmalerei gleichen.
Die Frühphase 1413 – 1480
Die bedeutenden Anfänge osmanischer Keramik gehen auf die Yeshil Cami (Grüne Moschee Mehmed I.) in Bursa sowie deren Türbe (1413 - 1421) zurück, sowie die Murad Cami (Moschee Murad II um 1450). Hier zeigte sich erstmals ein reicher Fliesenschmuck und die Umsetzung der so genannten cuerda seca
Technik. Diese auch als Glasurfarbentechnik bezeichnete spanische Dekortechnik aus dem 11. Jh. ermöglichte die saubere Trennung der unterschiedlichen Farbflächen. Die Einführung dieser Technik geht
auf aus Persien rückkehrende Fliesenmeister zurück die in Bursa erstmals eine Bauhütte gründeten. Damit beginnt auch die Hinwendung der osmanischen Keramikhandwerker in Richtung persisch-chinesische
Dekormuster und Dekortechniken. Diese Hinwendung zum chinesischen und zentralasiatischen Kulturraum spiegelt auch der türkische Ausdruck cini (Kachel, Fliese) wieder. Anders ausgedrückt der
türkische Name bedeutet die Herstellung bzw. Nachahmung chinesischer Keramik im eigenen Kulturkreis. Ein Motiv der osmanischen Keramik nennt man z.B. Cintamani.
Die Experimentierphase 1480 - 1550
Fassbar wird diese Phase in der Entwicklung der Gefäßkeramik insbesondere in der Herausbildung zweier überragender Keramikzentren in Iznik und Kütahya. Grundlage der neuen Dekors bildeten die Zeichner und Miniaturmaler in Istanbul die ein vielschichtiges florales Dekorrepertoire entwickelten, dass durch die Handwerker im Keramikbereich übernommen wurde. Die dabei entstandenen Stilarten nennt man “rumi” und “hatayi”. Rumi stammt von Rom, also der Übernahme byzantinischer Keramiktechniken durch die Seldschuken, die sich selbst als Rumi (Rum-Seldschuken) bezeichneten. Lantettblätter, geschwungene bzw. stilisierte Blattformen und Knotenmotive sind typisch für diesen frühen Kunststil. Hatay beschreibt den chinesisch, zentralasiatischen Stil der besonders durch die timuritische Kunst in die Türkei gelangte. Chysanthemen, Päonen und Lotusblüten sowie Wolkenbänder sind für diesen Stil charakteristisch (Hatay ist ursprünglich ein Ort in China).
Nach den osmanischen Eroberungen in Persien, gelangten erneut safawidische Künstler an die osmanische Kunsthandwerkerschule am Hof (Nakkashhane). Einer dieser bedeutenden Künstler mit Namen Shahkulu,
der aus Täbris stammte, bildete aus den floralen Mustern eine neu geschwungene s-förmige Blattform die saz genannt wurde. Saz ist die volkstümliche Bezeichnung eines Zauberwaldes aus dem türkischen
Epos (Dede Korkut) 14. Jh.
Die Blütezeit 1550 -1590
Aufbauend auf den saz-Stil entwickelte Kara Memi, Schüler und Nachfolger von Shakulu, den so genannten “Quatre Fleurs”-Stil. Er ist ein ehr naturalistischer Stil der Blumenpracht, dargestellt durch Tulpen, Rosen, Nelken und Hyazinthen. Vorlage sind vor allem Formen von Textilmuster höfischer Kleidung. Dieser klassisch osmanische Stil erlebte in seiner Qualität und seiner Ausdrucksform in der Baukeramik nun seine Blütezeit. In diese Zeit fallen vor allem die prächtigen Moscheen Sultan Süleyman I (1520-1566) und Sultan Selim II (1566 - 1574) sowie den Moscheen und Stiftungen grosser Persönlichkeiten z.B. Rüstem Pascha Cami (1561) oder Familienmitglieder der Sultansfamilie z.B. Mihrimah Cami (1558-1565). Die Herstellung und die vielseitigen Malstile der osmanischen Keramik Mitte des 16. Jh. gehören Heute zu den größten kulturellen Leistungen der osmanischen Kultur.
Der Niedergang 1595 - 1894
Mit zunehmenden Probleme in der Aussen- und Innenpolitik entfiel Ende des 16. Jh. der Hof als Investor der Keramikwerkstätten. Gleichzeitig traten Mangelerscheinungen in der Rohmaterial Gewinnung ein, so dass viele Werkstätten schlossen. Insbesondere in Iznik nahm die Produktion innerhalb von 50 Jahren von 300 Werkstätten bis 9 ab (1648). In Kütahya erfolgte ein ähnlicher Niedergang der aber durch verstärkte Nachfrage von privaten Personen aufgehalten werden konnte. Insgesamt nahm die Qualität der Keramik ab und es entstanden keine neue Stile oder technische Weiterentwicklungen. 1724 gründete man aus den verbliebenen Handwerkern aus Isnik eine Keramikwerkstatt in Istanbul in der Nähe des Tekfürsaray. Dennoch konnte hier, noch in einer Werkstatt in Canakkale, an die Qualität der Keramik der Blütezeit aufgeschlossen werden.
Wiederendeckung und Moderne 1894 bis Heute
1894 beginnt die moderne industrielle Fertigung von Fliesen in Istanbul. Dabei wurden historische Stücke vor allem aus denkmalpflegerischen Aufgaben, aber auch für den zunehmenden Privatgebrauch hergestellt. Die zum Teil alten Techniken wurden über europäische Porzellanfirmen ins Osmanische Reich reimportiert.
Mitte des 20. Jh. ersann man sich in der Keramikkunst wieder auf die seldschukisch und osmanischen Formen und Stile. Man gründete Hochschulen (Dumlipinar Universität Kütahya) um an die historischen Kunstfertigkeiten wieder anknüpfen zu können. Heute gibt es zwei große Bereiche der Keramik Herstellung. Erstens
eine künstlerische Weiterentwicklung von Stilen, Qualität und neuen Fertigungsmethoden für die rapide gestiegenen Innlands Nachfrage und Zweitens eine Nachfrage an Gefäßkeramik im touristischen
Sektor. Schwerpunkt der Produktion liegt wider in Iznik und Kütahya.
Im 19. Jh. setzte in Europa ein Kaufrausch islamischer, insbesondere osmanischer Keramik ein. In England, Deutschland und besonders in Frankreich entstanden umfangreiche Sammlungen osmanischer Keramik. Aber nicht nur als private Sammelobjekte gelangten die Fliesen nach Europa sondern auch in den Formenstil europäischer Kunst und europäischem Porzellan. Neben dem Einfluss auf einzelne Künstler wie Henri Matisse oder Gustv Klimt, dienten die osmanischen Fliesen als qualitativ hochwertige Keramik als Ausbildungsstücke in allen großen europäischen Porzellanfabriken. Daraus resultiert heute die Tatsache, dass viele europäische Porzellanmuseen über umfangreiche Stücke wertvoller Keramiken aus osmanischer Produktion verfügen. So hat die islamisch-osmanische Keramik Europa inspiriert und die wissenschaftliche Untersuchung in Europa, dass verlorene Wissen an seine Ursprungsländer erfolgreich zurückgegeben.
kleine Auswahl von Links zu Keramikmuseen in Deutschland:
Keramik Museum, Mettlach (Firmenmuseum Villeroy&Boch)
Museum für Frühislamische Kunst, Bamberg
Denny, Walter B.: Osmanische Keramik aus Iznik. München 2005
Hagedorn, Annette: Auf der Suche nach dem neuen Stil. Der Einfluss der osmanischen Kunst auf die europäische Keramik im 19. Jahrhundert. Berlin 1998
Müller-Wiener, Martina: Türkisch-osmanische Keramik. Ausstellungkatalog, Traunstein 2004
Nitsche, Ingo (Hrsg.): Von der Ewigkeit des Augenblicks. (Bir andaki Sonsuzluk Hakkinda) Die Entwicklung türkischer Fayencenmotive. (Türk.-deut. Katalog zur Wanderaustellung,
Schramberg 2003
Roojen, Pepin van (Hrsg.): Turkish Designs, Amsterdam 2002
Zick-Nissen, Johanna: Osmanische Keramik, in: Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit: (Hrsg.) Musem für Kunsthandwerk der Stadt Frankfurt 2 Bände, Recklingshausen
1985, Band II S. 129 - 192